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studio visit || nobi talai

Von Marlene | Veröffentlicht am: 12. Mai 2017

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In der Mode dreht es sich oft um Geschwindigkeit. Um den nächsten Trend, die nächste Handtasche, das nächste Teil für Instagram, schnell, schnell, schnell. Ich lasse mich davon, je nach Jahreszeit, Kontostand und Instagramnutzung, oft genug mitreißen und brauche dann AUF DER STELLE eine schulterfreie Bluse / eine verspiegelte Sonnenbrille / einen Jane-Birkin-Picknickkorb. Immer öfter finde ich die Frequenz aber erschöpfend. Je schneller es geht, desto weniger Freude bleibt am letzten Kauf und größer wird das Gefühl, eh nicht mithalten zu können. Ich denke gerade viel darüber nach, wie und was ich kaufe. Der Besuch bei Designerin Nobieh Talaei kam mir so gelegen wie ein Entschleunigungsseminar.

Ihre Mode ist ein Gegenentwurf zu Fast Fashion: Teile, die nicht bloß für eine Saison gedacht sind, sondern über Jahre begleiten sollten, in leicht kombinierbaren Farben und mit vielseitigen Schnitten. Die Hose, die Nobieh bei unserem Treffen trägt, lässt sich etwa unterschiedlich so schnüren, dass sie in jeder Konfektionsgröße passt. Obwohl die Entwürfe unkompliziert zu tragen sind, prägen sie sich sofort als etwas Besonderes ein.

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„Die Mode, die ich machen will, ist nicht vordergründig oder laut“, sagt sie, die selbst wohltuend ruhig und sehr sortiert spricht. „Ich fange oft mit einer simplen geometrischen Form an. Einem Rechteck beispielsweise oder einem Dreieck, das ich dann modelliere. Die Formen sind streng, aber durch die Drapierungen mit fließenden Stoffen bekommen die Kleider etwas Malerisches. Ich habe bei der Arbeit oft das Bild meiner Oma im Kopf. Sie war Schneiderin mit nomadischen Vorfahren und hat mit schlichten Teilen durch Wickeln und Binden, eben wie ihre Vorfahren, immer wieder neue Silhouetten entworfen.“

Nobieh Talaei – für das Label hat sie ihren Namen auf Nobi Talai verkürzt – wurde in Teheran geboren und zog mit elf Jahren nach Berlin. Verweise auf ihre Herkunft tauchen in jeder Kollektion auf. Und sind überall in ihrem Studio zu finden, wie die antiken Filzteppiche, die sie als Wandschmuck aufgehängt hat, oder Bücher über die Lebensart der Nomaden. „Sie waren durch ihre Reisen dazu angehalten, sich so komfortabel und simpel wie möglich zu kleiden. Aus einer Decke wurde schnell ein Cape. Das Cape wiederum zu einem Rock“, sagt sie. „Ich möchte Frauen dazu inspirieren, genauso kreativ zu sein und selbst zu entscheiden, wie sie etwas tragen. Die Teile sollen zu Lieblingen werden, die man immer wieder rausholt und gerne anzieht. Deshalb achte ich darauf, dass sie variabel sind.“

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Wie gut ihre Überzeugungen ins Jetzt passen, sieht man an der Entwicklung ihres Labels: Gründung Anfang 2015; Ausstellung und Solo-Show im Berliner Mode Salon im Sommer des gleichen Jahres; Debüt in Paris im September 2016, wo sie seitdem während der Prêt-à-Porter-Schauen zeigt. Dennoch hat sie sich Zeit gelassen. 13 Jahre lang sogar. Nach dem Studium an der Berliner Kunsthochschule für Mode ESMOD, hat sie im Einzelhandel gearbeitet und später im Bereich Interiordesign. Ihr Gespür für Einrichtungen sieht man heute in ihrem Studio, das sie mit einer Mischung aus Mid-Century-Stücken und persischer Kunst bestückt hat. Persönliche Stücke, die die gleiche Wärme ausstrahlen wie ihre Mode. Die Jahre im Verkauf haben ihr unternehmerisches Verständnis geschult. „Es war schon immer mein Wunsch, eigene Mode zu machen, aber nach der Schule habe ich mich noch nicht so weit gefühlt“, sagt sie. „Der Vorteil daran, dass ich so lange im Retail-Bereich gearbeitet habe: Ich konnte sehen, wie das Innenleben von Unternehmen funktioniert.“

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Trotz aller Erfahrung brauchte es Mut, sich selbstständig zu machen. Mit 38 ist Nobieh Talaei älter als viele ihrer Kollegen in der Berliner Modeszene. Aber halt auch gestandener. „Man muss sich sehr bewusst darüber sein, was man vorhat und einen Plan machen. Das hilft gegen die Frustration, wenn nicht immer alles weiter nach vorne geht. Man merkt: OK, ich kann ein paar Schritte zurück machen, ohne gleich alles aufzugeben.“

Am Ende ihres Plans steht ein eigener Laden. Eines Tages. „Es braucht Zeit, die Einkäufer und Kunden an die Marke heranzuführen und an die Botschaft, die dahintersteckt“, sagt sie. „Das erlebt man in einem Laden noch einmal anders, wenn man die Verarbeitung der Teile sieht, die Stoffe fühlen kann und auch sieht, wie ich gestalte. Ich stelle mir das Geschäft wie mein kleines Wohnzimmer vor, in dem Nobi Talai ihre Geschichten erzählt.“

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Fotos aus dem Atelier Nobi Talai und der FW 2017-Präsentation in Paris.

Nobi Talai ist u.a. erhältlich bei Off & Co in München und online bei Stylebop.

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