spruced by marlene

in the front row with stella mccartney

Von Marlene | Veröffentlicht am: 15. Juli 2013

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Nach der Talkrunde mit Marc Jacobs im letzten Jahr dachte ich: aufgeregter kann man nicht sein. Und wenn, dann überlebt man es schlicht nicht.

Ein Irrtum.

Die Anfrage kam im Mai. Mit Marc habe es doch gut geklappt, ob ich mir vorstellen könne, den Talk dieses Jahr noch einmal zu moderieren – mit Stella McCartney.

Ich stellte es mir kurz vor: ich sitze vor einem Publikum von 50 Leuten, viele davon Kollegen, Stella McCartney neben mir, ich hebe das Mikro zur ersten Frage und raus kommt… nichts! Blackout! Ich habe vergessen, wie man Englisch spricht! Waaaaahhhhhhhh!

Dann habe ich die Vorstellung verdrängt und zugesagt. Weil ich Stella McCartneys Mode verehre und wenn man die Chance bekommt, seinem Stilidol wenigstens einmal gegenüber zu sitzen, wäre man irre, sie nicht zu nutzen. Und weil ich aus dem letzten Jahr wusste: fragen, zuhören, reagieren – das geht. Vor Publikum. Ohne dabei ohnmächtig zu werden. Obwohl ich nicht erklären kann wie es geht. Klar, die Vorbereitung hilft. Am Abend bevor ich auf die Bühne musste, stand ich mit meinen Moderationskarten im Wohnzimmer, mit James als Publikum und dem Sofakissen als Stella, und habe die Texte so oft geprobt, bis es ohne Fluchen ging. Ich wusste die Fragen auswendig. Wenn James mich mitten in der Nacht geweckt und geflüstert hätte „Pssst, ich glaube, es ist ein Einbrecher in der Wohnung”, wäre ich aufgetanden und hätte den Einbrecher gefragt „Was inspiriert Sie in Ihrer Arbeit?” Die Vorbereitung erklärt trotzdem nicht, wie es zu Wortwechseln wie diesem kommt, sobald man mir ein Mikro in die Hand drückt: „Was inspiriert Sie in Ihrer Arbeit, Stella McCartney?” „Oh, alles mögliche. Ein Ausritt mit meinem Pferd an einem Sonntagmorgen. Der Look anderer Frauen. Es könnte zum Beispiel ein Detail an Ihrer Frisur sein, das mich inspiriert.” „Wie… ein Fussel.” „Genau. Dann sehe ich den Fussel und denke: Der ist von letzter Nacht. Was hat diese Frau letzte Nacht getrieben? Ich weiß! Das Motto meiner nächsten Kollektion ist: Sex!”

Und so kam es, dass Stella McCartney über mein Sexleben plauderte.

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Aber von vorn. Seit einigen Jahren sponsort Peek & Cloppenburg den Designer for Tomorrow Award, ein Nachwuchspreis für Modedesigner, der während der Fashion Week verliehen wird und für den, nach Marc Jacobs, Stella McCartney die Schirmherrschaft übernommen hat. Dafür kommt sie unter anderem für ein paar Tage nach Berlin, wählt zusammen mit der Jury aus fünf Finalisten einen Gewinner aus, und absolviert Termine, darunter eine Talkrunde vor Journalisten und Bloggern, moderiert von: mir.

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Und wie ist sie so?

Witzig. Tatsächlich das erste Wort, das mir zu ihr einfällt. Nicht zickig, nicht abgehoben, kein Snob – all das, was man ja durchaus von einer annehmen könnte, deren Vater einer der Beatles ist, die Gwynnie und Cammy zu ihren Busenfreundinnen zählt, die eine millionschwere Modemarke leitet. Sie ist außerdem extrem charmant. Und warmherzig. Eine von uns. Was ich schon deshalb bemerkenswert finde, da sie auf viele Arten eben keine von uns ist (Vater einer der Beatles, Gwynnie und Cammy zu Busenfreundinnen, millionenschwere Modemarke etc.) Zum Beispiel: sie betritt die Bühne und sagt, noch bevor sie sich setzt: „Habe ich da etwa eines meiner Jacketts im Publikum gesehen? Mädels, ich mag euch schon jetzt!” Zum Beispiel: Auf die Frage, was sie daraus gelernt hat, der Boss zu sein, antwortet sie: „Bei der Weihnachtsfeier will keiner mehr neben mir sitzen. Ich dachte immer, ich sei auf Partys gute Gesellschaft. Aber seit ich die Chefin bin, sitze ich auf der Weihnachtsfeier allein da.” Zum Beispiel: „Ich bin bei Komplimenten noch immer skeptisch. Ich denke, ich kann nicht gemeint sein. Es ist jemand gemeint, der hinter mir steht.”

Ach, komm. So nett kann sie doch gar nicht sein.

Doch, wirklich. Und wenn sie es nur spielt, dann sehr überzeugend. Will ich aber gar nicht glauben von einer, die in einer Industrie, die massiven Umsatz mit Lederaccessoires macht, keine Kompromisse gemacht hat, sondern aus Überzeugung, und mit Erfolg, weder Leder noch Pelz verwendet. Schön, vielleicht fällt es einem leichter, nicht ans eigene Scheitern zu glauben wenn scheitern schon aus biographischen Gründen nicht im Lebenslauf vorgesehen ist. Trotzdem. Beachtenswert, dass sie ihren berühmten Namen über etwas schreibt, zu dem sie steht. Nebenbei blieb sie bei Fragen zu ihren Eltern ganz gelassen und erzählte zum Beispiel darüber, wie sehr sie der Stil ihrer Mutter Linda noch heute beeinflusst. Es war dann aber doch nicht kumpelig genug, um ihr die Frage zu stellen, die mir meine Freundin Natascha ans Herz gelegt hatte: „Frag Sie, worüber sie, Gwyneth und Cameron tratschen, wenn sie glutenfreie Pizza aus Gwyneths Steinofen im Garten essen?” Spar ich mir für nächstes Mal auf.

Was hatte sie an?

Stella McCartney von Kopf bis Fuß. Sah großartig aus. Zwei Lieblingsdetails. Erstens: kein Schmuck, außer einem funkelnden Dreikaräter an der linken Hand. Zweitens: das neonpinke Gummiband, mit dem sie ihren Zopf gebunden hatte, hat in der Drogerie nicht mehr als zehn Cent gekostet.

Unter uns, hat sie was machen lassen?

Erstaunlich, wie viel darüber danach geredet wurde. Oder gar nicht weiter erstaunlich. Ist immerhin die Modeindustrie. Aus der Nähe sieht man: die Augen sind zwar sympathisch unberührt und so faltig, und schön, wie sie bei einer Frau ihres Alters nun einmal sind, die Lippen dagegen erstaunlich prall und die Stirn faltenfrei. Ich halte es mit James, der danach sagte: „Tja, Sorgenfalten hätte sie aber wohl auch ohne Botox nicht.”

Wie war sie hinter der Bühne?

Immer noch wahnsinnig nett. Nachdem sie sich bei mir bedankt hatte – okay, spätestens ab da habe ich meine ungeborenen Söhne als Stallburschen auf ihrem Pferdegestüt verkauft – war ich einerseits erleichtert, dass ich es tatsächlich überstanden hatte. Und enttäuscht, dass es schon vorbei war. Den Rest des Tages bin ich ungefähr fünf Zentimeter über dem Boden geschwebt, high von Adrenalin und Stella-keit.

Nach der Show am nächsten Tag hat Stella dann Ioana Ciolacu zum neuen Designer for Tomorrow gekürt. Ein Glück, denn sie war auch meine Favoritin aus den fünf Finalisten. Hier ist ein Look aus ihrer prämierten Kollektion. In der nächsten Saison wird Ioana dann hoffentlich ihre eigene Show auf der Fashion Week zeigen.

Bis dann bin ich vielleicht auch über das Stella McCartney-Erlebnis weg. Aber wahrscheinlich nicht.

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Danke, Julia und James, für Bilder, auf denen ich nicht in Ohnmacht falle!

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3 Kommentare

  1. sidsel
    Posted 16. Juli 2013 at 06:38 | Permalink

    love love love this piece!!!!!!! did i mention, i LOVE this piece. well written, so personal and so just what i wanted to know. that, and of course „Can you ask her what she, Gwynnie and Cammy gossip about when they’re eating gluten-free pizza from Gwynnie’s backyard brick oven?”… Xxx

  2. Charlie
    Posted 22. Juli 2013 at 21:09 | Permalink

    love the piece on stella- i agree with sidsel!

    well written- quite like reading Marian Keyes … haha – the similarity being that it was fun – easy reading and felt like i was there in your head ! 🙂 i would have fainted too being so starstruck!

    but as you say, you are a career woman on the way up and she is a carrer women on top (comes with age) – you have more in common than you think! 🙂

    my claim to fame is that i know Marlene – who is chummy with Marc and Stella… !!

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