Für mein Treffen mit Maryam habe ich einen Hut getragen. Einen Hut setze ich sonst nur aus praktischen Gründen aus, entweder zum Schutz gegen Hitze oder gegen Kälte. An diesem Tag gab es keinen besonderen Grund, außer, dass ich Maryam eine Freude machen wollte.
Denn Maryams Outfits zu sehen macht mir immer eine Freude. Ich habe sie durch eine gemeinsame Freundin kennengelernt, aber vermutlich wäre sie mir in unserer Nachbarschaft trotzdem irgendwann aufgefallen. Diese Frau, die mit ihrem Sohn auf den Spielplatz geht und zwar im Kimonomantel und einem breitkrempigen Sonnenhut, der aussieht wie alle Audrey-Hepburn-Filme zusammen. Die ich im Winter einmal aus der Ferne sah und bei der ich, längst bevor ich sie erkannte, dachte: Das würde ich auch gerne tragen, eine weiße, weite Hose, einen schwarzen Herrenmantel und besonders den phänomenalen Pharrell-Williams-Gedächtnishut. Wie saulässig und selbstbewusst. Als ich zum wiederholten Mal beim Durchscrollen auf Instagram an einem ihrer Looks hängengeblieben war, fragte ich sie, ob sie mir ihre Hutkollektion zeigen würde.
Und es sind unglaublich viele Hüte, die sich in ihrer Wohnung stapeln. Sie kommen aus Vintage-Läden und von Wochenmärkten, es sind Modelle von Christian Dior dabei und von Vivienne Westwood, aber auch viele No-Name-Stücke und sogar eine Sonderanfertigung von einem Korbstuhlmacher, den sie bat, ihr ausnahmsweise einen Hut zu flechten. Die Hüte sind selbst Teil der Installationen und Malereien der früheren Schmuckdesignerin, die zwischen Toronto und Berlin pendelt. Und sehen nicht auch die Lampenschirme im Flur aus wie Hüte? Aber natürlich.
„Die meisten Leute denken wahrscheinlich, ein Hut ist etwas, das man zum Pferderennen trägt oder auf eine Hochzeit“, sagt sie. Maryam setzt dagegen jeden Tag einen auf. Wirklich jeden Tag? Ja, und zwar seit sie Anfang 20 ist. „Ich war damals sehr ängstlich auf sozialen Anlässen, wenn zu viele Leute um mich herum waren und etwas von mir wollten. Die Hüte waren wie ein Schutzschild, hinter dem ich mich verbergen konnte.“
Bemerkenswert, da viele der Modelle absolut unübersehbar sind und, so kommt es mir vor, es einigen Mut kosten muss, damit vor die Tür zu gehen. „Mir fällt schon auf, dass die Leute mich angucken. Vor allem Kinder. ‚Lustig, die Frau trägt einen umgedrehten Korb auf dem Kopf!‘ Aber die Blicke machen mir nichts. Durch die Hüte habe ich das Gefühl, eine Rolle zu spielen. Wenn ich sie aufsetze, findet eine Verwandlung statt.“
Ich mag die Vorstellung, dass sie eine Schwäche, ihre Beklommenheit in Menschenmengen, in eine Stärke umgestülpt hat. Man spürt, dass die Hüte nicht bloß reine Accessoires sind, sondern Teil ihrer Persönlichkeit. Tatsächlich nennt sie jeden Hut she – wie ihn She had to have her own seat on an airplane once because she was too big for a hat-box. Aber übertrieben behutsam geht sie mit den Hüten auch nicht um. Als sie vor kurzem eine Abschiedsparty in Berlin gab, bevor sie mit ihrer Familie wieder für sechs Monate zurück nach Toronto ging, hat jeder Gast für den Abend einen der Hüte getragen.
Als wir die Fotos machen, setzt sie irgendwann mir einen überdimensionalen Strohhut auf, den ein Bekannter ihr aus Rom mitgebracht hat. Sofort komme ich mir geheimnisvoller vor, fühle mich fast feierlich und tatsächlich wohl behütet. Und ich verstehe ein wenig mehr, warum Maryam das Außergewöhnliche zum Alltäglichen macht. Falls es einen Grund gibt, warum man an einem ganz gewöhnlichen Donnerstag nicht eine Explosion von zartrosa Federn auf dem Kopf tragen sollte, fällt er mir schlicht nicht mehr ein, seit ich Maryam kenne.
Maryam trägt einen Overall von Cos und Loafer von Robert Clergerie.
Und natürlich ihre fabelhaften Hüte.
Ein Kommentar
Peggy
OMG, I´m absolutely in love with the shoes. I know … totally out of topic but I didn´t know Robert Clergerie does such nice mules. Thanks for that. Now I will have to look for the Alice ones in London as soon as I have arrived on Monday.